Schaffhauser Nachrichten: «Konfettifest in bunten Kostümen»

13. Februar 2023

Schaurige Masken ziehen, begleitet von Blasmusik und Trommeln, schallend durch die Altstadt: Nach zwei Jahren...

Das Museum zu Allerheiligen zeigt in seiner neuen Ausstellung die Erfolgsgeschichte der Werbeplakate «Schaffhauser Wolle».

von Isabel Heusser

Unterhalb der grossen Treppe streicht Kurator Daniel Grütter ­einer lebensgrossen Schaffigur über den Kopf. Die Tiere weisen im Museum zu Allerheiligen den Weg zur neuen Ausstellung «Schaffhauser Wolle – eine Marke macht Geschichte». In den ehemaligen Hallen der ersten Schweizer Kammgarnspinnerei zeigt das Museum ab heute eine Auswahl der 107 Werbeplakate, die Schweizer Grafiker und Künstler für ein Stück Schaffhauser Industriegeschichte gestalteten. «Es ist ein grosses Glück, dass wir die Plakate dort zeigen können, wo die Wolle hergestellt wurde», sagte Kulturreferent Raphaël Rohner an der gestrigen Pressekonferenz. Wo aktuell die Plakate hängen, standen einst die schweren Maschinen der Spinnerei: «Die Pionierkraft von damals wirkt bis heute in diesen Räumen nach.»

150 Jahre ist es her, dass in Schaffhausen erstmals Wolle produziert wurde. Die Fabrik hatte, je nach Eigentümer, über die Jahre vier verschiedene Namen – in der Bevölkerung war sie aber vor allem als «Schaffhauser Wolle» bekannt, obwohl sie nie so hiess. «Meine Grossmutter war stolz darauf, mit dieser Wolle zu stricken», erinnert sich Rohner. Unter dem Label «Schaffhauser Wolle» wurden die Garne in der Schweiz und im Ausland vermarktet, 1924 entstand das erste Plakat. Damals waren die Bedingungen für Aussenwerbung ideal: Mit der Gründung der Allgemeinen Plakatgesellschaft und der Erfindung der Litfasssäule entstand eine standardisierte Aushängepraxis.


Stricken für die Soldaten

Die Plakate hatten ein Ziel: die Marke «Schaffhauser Wolle» im kollektiven Gedächtnis zu verankern, denn eine breite Bevölkerungsschicht zählte zu den potenziellen Käufern. Aber: «Es ist ziemlich ungewöhnlich, dass man für ein unscheinbares Wollknäuel über so lange Zeit Werbung machte», sagte Kurator Grütter. Weil das Knäuel allein wenig hergab, mussten sich die Werber einiges einfallen lassen, um die Plakate attraktiv zu gestalten. Vor allem farbig sollten sie sein. Und fast immer mit der grünen Banderole als Markenzeichen versehen. Zu Beginn waren die Motive eher brav und traditionell, sie zeigten etwa eine strickende Grossmutter oder ein Büsi, das mit einem Wollfaden spielt. Später wurden sie frecher. Auf einem Plakat von 1945 ist ein Planet samt Ring aus Wolle zu sehen; fünf Jahre später zieht ein farbiger Papagei an einem Faden.

Die in sieben Zeitinseln angeordnete Ausstellung zeigt, was die Menschen in der jeweiligen Epoche beschäftigt hat. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges beispielsweise erfüllte ein Plakat nicht nur den Werbezweck. So ist auf einem Plakat aus dem Jahr 1939 ein Wollknäuel in patriotisch leuchtendem Rot abgebildet, dahinter sind im grün gehaltenen Hintergrund marschierende Soldaten zu sehen. Die Botschaft ist klar: Schweizer Frauen wurden angehalten, warme Kleidung für ihre frierenden Männer im Aktivdienst zu stricken.

Die Kreativität der Künstler zahlte sich aus: Insgesamt viermal wurde ein Plakat aus Schaffhausen als «Schweizer Plakat des Jahres» ausgezeichnet. Besonders auffällig war die Idee von Jost Wildbolz: Auf seinem Plakat von 1965 ist eine Frau zu sehen, die statt Haare Wollknäuel auf dem Kopf trägt. Die Zeiten, da die Frau als braves Hausmütterchen dargestellt wurde, waren damit vorbei. Auf einem Plakat von 1979 ist sogar ein Hauch von Erotik spürbar: Dargestellt ist eine Frau mit rot geschminkten Lippen, rot lackierten Nägeln und einem roten Wollknäuel. Die Botschaft: Stricken ist sexy.

Zum Erfolg der Schaffhauser Wolle haben nicht nur die Plakate beigetragen, sondern auch Hefte mit Strickanleitungen, die jährlich erschienen und in allen Wollgeschäften erhältlich waren. Manche dieser Hefte und sogar original Schaffhauser Wolle werden heute auf der Onlineplattform Ebay zum Verkauf angeboten. Das zeigt: Der grosse Boom ist zwar vorbei, doch heute ist Stricken auch bei jungen Frauen wieder beliebt. Wer will, kann sich in der Ausstellung an einer original Strick-anleitung versuchen – das Museum stellt Wolle zur Verfügung.

 

Schaffhauser Wolle

Die Vernissage zur Ausstellung «Schaffhauser Wolle – eine Marke macht Geschichte» im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen findet heute um 18.30 Uhr statt.
Die Ausstellung wird von mehreren Veran-staltungen begleitet. Am Familientag vom 9. Juni wird beispielsweise ein Schaf im Pfalzhof live geschoren. Ausserdem ist die Künstlerin Madame Tricot zu Gast, die verschiedene Objekte strickt.


Erinnerungen von Mitarbeitenden

Neben den Plakaten – alles Originalgrafiken – sind historische Pressefotos der beiden SN-Fotografen Eric und Bruno Bührer zu sehen. Auch der Niedergang der einst so stolzen Marke ist dokumentiert. Ab den Siebzigerjahren ging das Interesse am Handstrickgarn zurück, selbst zu stricken, lohnte sich finanziell nicht mehr und wurde zu einer Freizeitbeschäftigung. Mitte der Achtzigerjahre brach die Nachfrage ein. Die «Schaffhauser Wolle» änderte ihre Marketingstrategie, statt Werbeplakaten wurden TV-Spots produziert. Doch es half alles nichts. Bald musste Kurzarbeit eingeführt werden, es gab Entlassungen.

In Videobeiträgen erinnern sich neun ehemalige Mitarbeitende an ihre Tätigkeit für die «Schaffhauser Wolle» – von der Praktikantin in der damaligen Kinderkrippe bis zum letzten Firmenleiter Ulrich Albers. Sie alle waren stolz darauf, für ein Produkt zu arbeiten, das in der ganzen Welt bekannt war. Umso bitterer war die Schliessung für sie. Die Beiträge werden auf einem B&O-Fernseher von 1988 gezeigt – das Modell war damals gross in Mode. Drei Jahre später wurde die Produktion in Schaffhausen eingestellt.

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Ein Werbeplakat der «Schaffhauser Wolle». Bild: Stadtarchiv SH

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