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Die Revision des kantonalen Strassengesetzes wurde alles andere als eine trockene Angelegenheit: An der Kantonsratssitzung am Montag kam es gleich zu mehreren eher überraschenden Anträgen.

von Dario Muffler

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. So könnte man die Kantonsratssitzung vom Montag zusammenfassen. So waren gleich mehrere Geschäfte traktandiert, bei denen mit politischen Grabenkämpfen gerechnet werden konnte: der Corona-Solidaritätsbonus und die Schaffung eines Klima- und Energiefonds. Die zweite Lesung der Strassengesetzrevision hätte dabei eine Nebenrolle eingenommen. Die Änderung des Gesetzes war bereits im August ausführlich diskutiert worden und nach erneuter Behandlung in der zuständigen Spezialkommission hätte es im Plenum eine kurze Sache werden sollen.

Kantonsratspräsident Josef Würms (SVP, Ramsen) und Baudirektor Martin Kessler (FDP) hatten die Rechnung aber ohne die SVP-EDU-Fraktion gemacht. «Ich spiele jetzt den Spielverderber», sagte Andreas Schnetzler (EDU, Gächlingen) und stellte einen Streichungsantrag, ob welchem sich eine derart breite Diskussion entwickelte und zu weiteren Anträgen führte, sodass der Klimafonds gar nicht mehr besprochen werden konnte.

Pro und Contra «Lex Schaffhausen»

Doch worum ging es bei der Änderung des Strassengesetzes überhaupt? Der Kanton soll für Bau und Unterhalt an sämtlichen Kantonsstrassen verantwortlich sein und diese auch bezahlen. Aktuell liegen noch wenige Kilometer im Besitz der Gemeinden, durch welche die Strassen führen. Der Kanton soll auch für die Radwege ausserorts verantwortlich sein.

Zusätzlich wurde ein Topf geschaffen, worin die Mittel aus Mineralölsteuer und kantonaler Motorfahrzeugsteuer für Strassen enthalten soll. Zwei Drittel soll der Kanton bekommen, ein Drittel die Gemeinden.

So weit, so klar – und unbestritten. Doch das Gesetz sieht in den Besitzverhältnissen eine Ausnahme vor. Die Stadt Schaffhausen soll im Besitz der Kantonsstrassen auf ihrem Gebiet bleiben. Und das passte Schnetzler und Teilen seiner Fraktion nicht, weshalb er den erwähnten Streichungsantrag gestellt hatte. «Wir machen ein Gesetz und dürfen nicht beginnen, Gemeinden zu bevorzugen», sagte er und drohte damit, die gesamte Revision abzulehnen, sollte sein Antrag nicht durchkommen.

Diese Fundamentalopposition ärgerte den Präsidenten der Spezialkommission, Kantonsrat Nihat Tektas (FDP, Neuhausen). Er appellierte ans Plenum, den Antrag abzulehnen. Ihm gleich tat es FDP-Kantonsrat und Stadtrat Raphaël Rohner. Die Stadt habe als Verkehrsknotenpunkt des Kantons ein erhöhtes Interesse, Eigentümerin sämtlicher Strassen zu bleiben, auch die Komplexität in der Stadt spreche dafür. «Dieses Gesetz ist gemäss eidgenössischer Tradition ein Kompromiss», sagte Rohner.

Ein Kampf gegen die Stadtregierung

Ein ganz neues Fass machte dann SVP-Kantonsrat Mariano Fioretti (Schaffhausen) auf. Er unterstützte zuerst Schnetzlers Antrag, worauf er von Baudirektor Kessler noch eine Zusicherung wollte: «Sind Sie bereit, zu versprechen, dass der Kantonsrat abschliessend über Tempo 30 auf Kantonsstrassen entscheiden kann?»

Kessler verneinte und verwies auf das ordentliche Verfahren bei der Einführung einer Tempo-30-Zone. Geregelt ist das in Artikel 40 des debattierten Gesetzestextes. Dort heisst es, dass Projektierungen Sache des Baudepartements seien, das Verfahren in Absprache mit der Gemeinde stattfinden müsse und dass der Regierungsrat entscheide, wenn sich Gemeinde und Baudepartement nicht einigen können. Zudem betonte Kessler, dass die Stadt die Arbeiten an diesen Strassen selber bezahlen müsse. «Wenn Sie die Gesetzesänderung ablehnen, verhindern Sie, dass die Gemeinen mehr Geld bekommen», sagte Kessler. Schnetzlers Antrag unterlag mit 40 zu 16 Stimmen.

Nun schritt aber SVP-Kantonsrat und Grossstadtrat Michael Mundt ans Rednerpult und wollte den von Kessler erwähnten Artikel 40 dahingehend ergänzen, dass der Kantonsrat abschliessend über Tempo 30 auf Kantonsstrassen zu entscheiden habe.

Hintergrund des SVP-Vorstosses dürften die Pläne in der Stadt Schaffhausen sein, wo das Parlament im September ein Postulat überwiesen und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass es mehr Tempo 30 will.

Entsprechend mokierte sich aber Kantonsrat Kurt Zubler (SP, Schaffhausen): «Im Kern geht es der SVP darum, ihr Leiden an der Minderheitsposition im Grossen Stadtrat zu lindern.» Selbst SVP-Kantonsrat Markus Müller (Löhningen) sprach sich gegen den Antrag aus den eigenen Reihen aus: «Es geht zu weit, dass der Kantonsrat über Tempo 30 auf kommunaler Ebene bestimmt.» Erwin Sutter (EDU, Schaffhausen) konnte dem Inhalt des Antrags zwar etwas Positives abgewinnen, erachtete den Zeitpunkt aber als falsch. Deutlichere Worte fand Regula Widmer (GLP, Beringen): «Was hier veranstaltet wird, hat nichts mit seriöser Politik zu tun, das ist einfach nur noch peinlich.»

Mit 42 zu 11 Stimmen wurde der Antrag denn auch deutlich abgelehnt. Sich davor fürchten, dass flächendeckend Tempo 30 eingeführt wird auf Kantonsstrassen, müsse sich aber niemand, sagte Kessler im «Schaffhauser Fernsehen» nach der Sitzung.

In der Schlussabstimmung überwand die Revision nur knapp die Vier-Fünftel-Mehrheit, weshalb es zu keiner Volksabstimmung kommt – ausser es wird das Referendum ergriffen.