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Der Regierungsrat sieht keinen Bedarf für ein Langzeitgymnasium im Kanton. Er spricht sich aber für eine Modellschule für die Begabtenförderung auf ­Sekundarstufe I aus. Ein Pilotprojekt wurde bereits lanciert.

von Fabienne Jacomet

Nach der 6. Klasse können Kinder im Kanton Zürich ­bereits ins Langzeitgymnasium. In Schaffhausen ist dies nicht möglich und geht es nach dem Regierungsrat, besteht auch kein Bedarf dazu. Dies schreibt er in einer Orientierungsvorlage zu einem Postulat, das Raphaël Rohner (FDP) und Peter Scheck (SVP) 2018 eingereicht hatten. Darin forderten die beiden Kantonsräte die Prüfung der Einführung eines Langzeitgymnasiums.

Der Durchschnittswert der gymnasialen Maturitätsquote 2019 bis 2021 habe im Kanton 12,8 Prozent betragen. «Damit hat Schaffhausen im interkantonalen Vergleich die tiefste Maturitätsquote», schreibt der Regierungsrat in der Vorlage. Knapp vor Schaffhausen lägen Kantone, die ein Langzeitgymnasium anbieten. Es könne also nicht davon ausgegangen werden, dass die Maturitätsquote in Schaffhausen bei der Einführung eines solchen steigen würde.

Chancengleichheit im Fokus

«Je früher die Selektion in verschiedene getrennte Bildungsgänge erfolgt, umso stärker entfaltet sich der Einfluss der sozialen Herkunft und ­Jugendliche aus höheren sozialen Schichten werden bevorzugt behandelt», heisst es weiter. Ein solches System erweise sich aus volkswirtschaftlicher Sicht als ineffizient, da es Bildungspotenziale von Jugendlichen aus tieferen Sozialschichten sowie von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu wenig ausschöpfe. Mit der Übertrittsthematik verbunden seien folglich Fragen der Chancengleichheit und -gerechtigkeit.

Zudem müsse der Entscheid für den Besuch des Langzeitgymnasiums in einem Alter getroffen werden, in dem die Schülerinnen und Schüler die Konsequenzen eines Ausbildungsganges bezüglich ihrer Berufswünsche noch nicht ausreichend beurteilen können.

Individuelle Stärken fördern

Der Erziehungsrat habe sich in den letzten Jahren mit dem Thema Langzeitgymnasium befasst und sei zum Schluss gekommen, dass die Förderung der Jugendlichen nicht nur auf der intellektuellen Ebene geschehen solle. Es sollen auch «hervorragende sportliche, künstlerische und kreative Leistungen» berücksichtigt werden.

Deshalb wurde das Pilotprojekt «Schaffung einer Modellschule Sekundarstufe I für Begabungs- und Begabtenförderung» initiiert. Damit solle ein Schulmodell entwickelt werden, welches die individuellen Stärken und Interessen der Schülerinnen und Schüler fördert. So sollen für sportlich und künstlerisch talentierte Jugend­liche individuelle Stundenpläne mit Trainingsfenstern geboten werden, ohne dabei die Lernziele der Schule zu gefährden. Zudem solle ein individualisierter Unterricht stattfinden, der ­dabei helfe, die bei den Jugendlichen vorhandenen Potenziale zu erkennen und weiterzuentwickeln. «Die räumliche Struktur für einen individualisierten Unterricht kann beispielsweise durch Lernlandschaften und Lern­ateliers geschaffen werden», so der ­Regierungsrat.

Bisher bestanden im Kanton Schaffhausen keine Möglichkeiten zur Förderung von Jugendlichen mit Begabungen in den Bereichen Sport oder Kultur, so der Regierungsrat. Besuchen diese Schülerinnen und Schüler Schulen ausserhalb von Schaffhausen, bedeute dies für den Kanton und die Gemeinden zusätzliche finanzielle Aufwendungen. Mit dem neuen Schulmodell könnten Kosten eingespart werden. Zudem könnten gerade Sporttalente wegen der langen Anreisewege ausserkantonale Kunst- und Sportschulen oftmals gar nicht besuchen. Und das, obwohl sie die Aufnahme­kriterien erfüllen.

Attraktiverer Bildungsstandort

Am Pilotprojekt nimmt die Verbandsschulbehörde des neuen Zweckverbandes Gemeinsame Oberstufe Underchläggi von Hallau, Neunkirch und Wilchingen teil. Nach Abschluss des Pilotprojekts solle die Begabten- und Begabungsförderung auf der ­gesamten Sekundarstufe I des Kantons erfolgen. So werde auch die vom ­Postulat anvisierte Stärkung und ­Attraktivierung des Bildungsstand­ortes Schaffhausen erreicht. Zudem würden mehr Schülerinnen und Schüler «in den Genuss einer Förderung» kommen als bei einer Einführung des Langzeitgymnasiums.